Allianz MTV Stuttgart ist in der Gruppenphase der diesjährigen Volleyball-Champions-League ausgeschieden. Das klingt so nüchtern betrachtet auf den ersten Blick wie eine erfolglose Teilnahme. Doch dieses Ausscheiden verschweigt eine Gruppe, die den Begriff „Todesgruppe“ wohl erfunden hat, und eine Mannschaft. Eine Mannschaft, die die internationale Volleyball-Expertise nicht so wirklich auf dem Zettel hatte. Die jetzt aber bekannter denn je sein sollte.
Das Turnier in Kaliningrad war der zweite Akt der Gruppenphase für das Team von Coach Tore Aleksandersen. Bereits Anfang Dezember 2020 in Istanbul hatte Allianz MTV mit beeindruckenden Leistungen auf sich aufmerksam gemacht, aus drei Spielen sehr gute drei Punkte geholt. In Kaliningrad sollte nun der runde Abschluss der internationalen Reise gefunden werden. Sportlich gesehen war die Erwartungshaltung niedrig, die Gegner würden es sich nicht noch einmal so bequem gegen die Stuttgarterinnen machen, geschweige denn, diese unterschätzen.
Doch die erste Überraschung folgte direkt an Tag eins. Allerdings war diese nicht wirklich im Sinne der Verantwortlichen um die mitgereiste Chefetage Aurel Irion und Kim Renkema. Am Tag des Auftaktspiels wurde man informiert, dass in der Kaliningrader Arena die Sitze etwa zu einem drittel mit Fans besetzt sein würden. Im Sinne der Stimmung natürlich schön, im Hinblick auf die gesundheitliche Situation rund um die Pandemie aber eine Katastrophe. Auch die Tatsache, dass der Mund-Nasen-Schutz im Publikum oftmals eher als Accessoire statt dem nötigen Schutz diente, machte die Sache nicht wirklich komfortabler für den Gast aus Stuttgart. Dennoch, die Mannschaft sollte sich auf das Sportliche konzentrieren. Und das machte sie mit Bravour.
Zum Auftakt stand wie auch im Dezember die Partie gegen Eczacibasi Istanbul an. Die Türkinnen, für die dieser Pool D nicht viel mehr als eine Durchgangsstation zum Titel sein sollte, kamen mit breiter Brust aus der Liga und einem klaren Ziel nach Russland. Drei Siege und Platz Eins. Vor allem aber sollte diese lästige Mannschaft aus Deutschland zu Beginn klar in ihre Schranken gewiesen werden. Das Hinspiel grenzte ja an Majestätsbeleidigung. Ihre Majestät Tijana Boskovic zeigte dann im Spiel ihre ganze Klasse. 37 Punkte standen für die Serbin zu Buche, ein irrwitziger Wert. Und doch war es eigentlich nicht das Spiel der Tijana Boskovic. Nein, der Nachmittag des zweiten Februars 2021 mutierte zur Krystal Rivers Show. Unfassbare 40 Punkte machte die US-Amerikanerin. Ein Wert, der selbst den Eczacibasi-Verantwortlichen so großen Respekt abnötigte, dass man einen amerikanisch-serbischen Trikottausch arrangierte. Und auch sonst rieben sich die Fans in Kaliningrad die Augen – und schlugen sich aufseiten des Stuttgarter Lagers. Allianz MTV imponierte wieder mit großem Kampfgeist, aber auch mit zielstrebigem, schnellem Volleyball. Athina Papafotiou machte das Spiel schnell, die Abwehr rund um Libera Roosa Koskelo begeisterte mit spektakulären Aktionen, und im Angriff schoss unsere Kapitänin im wahrsten Sinne des Wortes die Lichter aus – das Hallenlicht in Kaliningrad erstarb Ende des zweiten Satzes für 15 Minuten vor Ehrfurcht. Wieder zwang man Istanbul nach zweimaliger Satzführung in den Tie-Break. Und wieder setzte sich hintenraus die Klasse einer Boskovic und einer Jordan Thompson durch. Co-Trainer Erik Reitsma, der die Mädels aufgrund der Unpässlichkeit des Headcoaches betreute, war am Ende zurecht stolz auf sein Team. Zugleich schwang aber auch Wehmut mit, dass man diese herausragende Leistung wieder nicht krönen konnte.
Die nächste Gelegenheit ergab sich direkt am folgenden Tag. Das Duell gegen Dinamo Moskau hatte die Mannschaft um Libera Roosa Koskelo im Hinspiel für sich entscheiden können, so keimte vor Beginn doch die Hoffnung auf eine erneute Sensation auf. Die wurde aber schnell und glatt beendet. Das 3:0 klingt zwar deutlicher als es war. Bis zu der Endphase eines jeden Satzes war das Spiel komplett ausgeglichen. Am Ende waren aber die Russinnen besser besetzt und eben auch frischer und konzentrierter. Gegen Dinamo und das Dou Pereira/Goncharova war an diesem Tag nichts zu holen.
So stand schon vor der letzten Begegnung mit Lokomotive Kaliningrad fest, dass die Reise nach der Gruppenphase beendet sein sollte. Vielleicht auch gerade deswegen wollten die Blauen nochmal alles reinwerfen. Und das gelang eindrucksvoll. Es wurde gefightet, aber auch der Volleyball gezeigt, den der Trainer sehen möchte. Schnell und Variable Und so war es diesmal Michaela Mlejnkova, die sich zur Ehrung des MVP schreiten durfte. Und die in Sachen Schlaghärte mit einer Irina Voronkova durchaus mithalten konnte. Die Tschechin donnerte die Bälle mal auf den Boden, mal hob sie ihn mit Rafinesse über den Block. So entnervte sie erst Voronkova, die sich immer wieder in Diskussionen mit den Mitspielerinnen verstrickte, und dann die Halle. Und weil Stuttgart gut aufschlug, in der Annahme stabil blieb und vorne intelligent agierte, geriet der glatte Dreisatz-Sieg nie in Gefahr. Der nächste Favorit war gefallen – und Kim Renkema zog ein positives Schlussfazit: „Wir haben das Turnier toll abgeschlossen und sind sehr zufrieden mit den gezeigten Leistungen. Wir haben teilweise überragende Spiele gezeigt, viele tolle Momente erlebt.“
In der Tat hat der Allianz MTV Stuttgart in dieser Saison mehr als nur überzeugt. Die Mannschaft hat teilweise begeistert. In der schwersten aller Gruppen landeten die Mädels auf dem dritten Platz, mit 7 Punkten nur einen hinter dem Zweiten aus Moskau. Und die Hochachtung der europäischen Elite hat sich das Team sowieso verdient. Jetzt gilt die Konzentration wieder der Liga – man möchte den Schwung aus der CL gerne mitnehmen. Und wer weiß, vielleicht holt ja Eczacibasi den Pokal und hat ein blaues Trikot mit der Nummer 13 in der Kabine hängen. Als Erinnerung an den Gegner, der sie am meisten gefordert hat.