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Jubel bei Allianz MTV, allerdings nur zwei Sätze lang. Dann drehte Schwerin die Partie. Foto: Michael Dittmer

Jubel bei Allianz MTV, allerdings nur zwei Sätze lang. Dann drehte Schwerin die Partie. Foto: Michael Dittmer

Allianz MTV Stuttgart verspielt im Topspiel vor Weihnachten in Schwerin eine 2:0-Satzführung und muss sich am Ende beim SSC mit 2:3 (25:20, 31:29, 21:25, 27:29, 14:16) geschlagen geben.


Welch ein Vorweihnachts-Krimi. Welch großartige Werbung für den Volleyball-Sport. Welch emotionsgeladenes Duell. Und welch ärgerliche Niederlage für Allianz MTV Stuttgart. Da war man im Hexenkessel Palmberg-Arena 2:0 in Führung, spielte unfassbar stabil, nur um gegen immer stärker werdende Gastgeberinnen am Ende dramatisch den Tie-Break zu verlieren. Antonia Stautz, die am Ende zur silbernen MVP gewählt wurde, und Pauline Martin waren mit 22 respektive 29 Zählern Stuttgarts erfolgreichsten Angreiferinnen. 

Der Beginn der Partie stand natürlich unter dem Eindruck des furchtbaren Anschlags in Magdeburg von Freitag, dessen Opfern mit einer Schweigeminute gedacht wurde. Auch Stuttgarts Cheftrainer Konstantin Bitter hatte das schreckliche Ereignis im Kopf, als er vor dem Spiel vor das DYN-Mikrofon trat und sich einfach ein tolles Volleyball-Spiel als Ablenkung für die Zuschauer wünschte. „Wir haben das Privileg, unseren Sport ausüben zu können, dass wir den Menschen auch in schwierigen Zeiten Abwechslung bieten dürfen und etwas Gutes tun können. Dafür wollen wir und Schwerin heute alles reinlegen.“  

Diesem Wunsch kamen beide Teams nach der Schweigeminute in der ausverkauften Palmberg-Arena auch sofort nach. Maria Segura Palleres brachte ihr Team mit einem Ass zum 2:1 in Führung, dann blockte Pauline Martin zum schnellen 4:1. Direkt waren beide Teams voll auf Betriebstemperatur, lange Ballwechsel bestimmten das Geschehen. Die Gäste aus Stuttgart kamen richtig gut in die Partie. Antonia Stautz punktete sehenswert zum 6:3, Teamkollegin Pauline Martin baute wuchtig auf 7:3 aus und zwang Felix Koslowski zur ersten Auszeit. Und es wurde noch besser, weil Lucia Varela zwei Asse in Serie zum 11:5 einstreute, Allianz MTV war früh auf Kurs. Vor allem in der Abwehr stand Stuttgart blendend. Doch Schwerin, das Team, das bekanntlich nie aufgibt, kämpfte sich wieder ran. Beim 11:13 stoppte Konstantin Bitter den Lauf der Gastgeberinnen, seine Mannschaft zahlte es schnell zurück. Kelsey Veltman servierte das Ass zum 15:11, Pauline Martin donnerte den Ball im Anschluss auf die Linie. Vor allem Antonia Stautz war jetzt für wichtige Punkte zuständig und sorgte dafür, dass der Vorsprung nicht mehr ernsthaft in Gefahr geriet. So war es dann auch der Nationalspielerin vorbehalten, den ersten Satz für Stuttgart einzutüten. 

Dennoch - trotz dessen, dass der erste Satz für die Verhältnisse dieses Topspiels sehr deutlich war, die längeren Ballwechsel deuteten schon an, in welche Richtung die Angelegenheit noch gehen sollte. Erste Kostprobe dessen: der zweite Durchgang. Beim 10:7 konnte sich Stuttgart durch Pauline Martin sehenswerten Angriff etwas absetzen, Schweriner Fehler führten dann zu einer höheren Führung. Diese gipfelte dann in Charlotte Krenicky‘s Block zum 17:11 aus Stuttgarter Sicht. Doch Konstantin Bitter, in weiser Voraussicht der Schweriner Comeback-Qualitäten, warnte sein Team vor ebenjenen. Und siehe da - die Gastgeberinnen fighteten sich zurück in diesen Durchgang. Pauline Martin übernahm in dieser Phase Verantwortung, zweimal schlug die Belgierin clever den gegnerischen Block an und behauptete die knappe Führung Stuttgarts (25:24). Ein Varela-Ass bescherte Stuttgart die nächste Chance zum 2:0, auf dem zweiten Bildungsweg ein paar Minuten später nutzte Pauline Martin dann den Satzball und brachte Stuttgart vermeintlich komfortabel in Führung. 

Es war ein Match auf Augenhöhe, unglaublich intensiv, auch oft unglaublich gut von beiden Mannschaften. Pauline Martin punktete weiter zum 5:6 per Pipe, dann krallte sich Kelsey Veltman athletisch einen Tip zum 9:10. Stuttgart gelang es allerdings nur zweimal in diesem Satz in Führung zu gehen, einmal blockte Lucia Varela zum 14:13, dann servierte Maria Segura Palleres das Ass zum 18:17. Schwerin präsentierte sich in der Crunch-Time aber irgendwo entschlossener und verkürzte schlussendlich zum 1:2. 

War ja noch nichts passiert aus Stuttgarter Sicht, doch irgendwie kam einem auf einmal wieder die Bitter-Auszeit von vor einer halben Stunde in den Sinn. „Die geben niemals auf“, hatte Stuttgarts Chefcoach seinen Spielerinnen mit auf den Weg gegeben, sie sollten den Fight annehmen. Das taten Roosa Koskelo und Co. auch, erst agierte Charlotte Krenicky frech mit der Zuspiel-Finte, dann lud das spanische Duo Varela/Segura Emotionen ab, blockte erst und servierte dann in Person von Lucia Varela das Ass zum 8:6. Stuttgart konnte sich in der Folge sogar bis auf 16:11 absetzen, dann wurde der Schweriner Schalter auf „Aufholjagd“ gelegt. Beim 18:19 musste Konstantin Bitter seine Auszeit nehmen, die starke Antonia Stautz hatte dann eine richtig starke Phase, punktete in Serie. Organisierte Allianz MTV sogar Matchbälle. Doch die wurden nicht genutzt. Schwerin glich aus. 

Tie-Break, jetzt nicht das Ungewöhnlichste, wenn Schwerin und Allianz MTV aufeinandertreffen. Er begann auch gut für die Gäste, Pauline Martin blockte, dann ließ es die Belgierin krachen. Überhaupt, es war so ein bisschen die Martin-Show auf Stuttgarter Seite in diesem fünften Durchgang, eine weitere Fackel bedeutete das 5:4. Schwerin drehte aber auf, war stabil, ging in Führung. Beim Seitenwechsel war das Koslowski-Team mit drei Zählern in Front. Die eingewechselte Madelyn Robinson Kent verkürzte mit einem schönen Winkel auf 8:9, dann brachte Pauline Martin ihr Team per Ass sogar zum 13:12 in Führung. Antonia Stautz besorgte dann den nächsten Matchball, dieses Mal musste es doch klappen. Denkste. Ex-Stuttgarterin Hannah Kohn entriss den Gästen mit ihrem verwandelten Matchball dann die zwei Punkte, stattdessen muss man sich bei Allianz MTV mit einem Zähler unter dem Weihnachtsbaum begnügen. Aber dennoch mit der Erkenntnis, dass man eine unfassbare Volleyball-Show geboten hatte. In Zeiten, in denen der Sport vielleicht nicht immer an erster Stelle steht.