Allianz MTV Stuttgart hat den Sieg im ersten Playoff-Halbfinale zur deutschen Volleyball-Meisterschaft gegen des Dresdner SC am gestrigen Samstagabend regelrecht verschenkt und muss nach der 2:3-Niederlage im Tiebreak gegen die Mädels aus Elbflorenz nun um den Einzug ins Endspiel in der Best-of-3-Serie bangen.
Emotionale, zugleich aber auch massiv unsportliche Momente gab es nach dem Match in der SCHARRena zu beobachten, als Dresdner Fans (darunter wohl zahlreiche vom Fußball-Club Dynamo Dresden) die feierliche Verabschiedung der langjährigen Stuttgarter Kapitänin Kim Renkema vom Profisport immer wieder mit Buhrufen und Schlachtgesängen unterbrachen. Selbst DSC-Trainer Alexander Waibl konnte dem unwürdigen Treiben keinen Einhalt gebieten und für Fairplay nach dem Match sorgen.
Die Partie begann zerfahren und von Nervosität geprägt. Zur ersten technischen Auszeit nahm dann Dresden, das vielleicht etwas überraschend mit den beiden Rolfzen-Zwillingen in der Starting Six begann, das Heft in die Hand, und dominierte mit druckvollem, riskantem Aufschlagspiel. Das ging zwar ab und zu mit Aufschlagfehlern in die Hose, sorgte aber in der Breite für größere Probleme in der Stuttgarter Annahme und für zu langsam vorgetragenes Angriffsspiel. Allianz MTV war einigermaßen gut auszurechnen und lag nach drei größeren Breakserien, in denen vor allem Kadie Rolfzen über Außen Akzente setzte, schon mit 16:23 in Front. Das Publikum verstummte, hatte nicht mit einer derartigen Dominanz von Dresden gerechnet. Auch der klassische Tausch der Zuspielerin (Kiki Kočar für Valerie Nichol und Debbie van Daelen für Aiyana Whitney auf Diagonal) brachte kaum etwas. Erst eine Vierer-Breakserie zum Schluss hauchte den Stuttgarterinnen noch einmal etwas Leben ein (20:23). Doch es war zu spät für die Wende. Ein Aufschlagfehler von Aiyana Whitney (der einzige im ersten Satz) besiegelte den Satzverlust mit 21:25.
Stuttgart musste also selbst den Aufschlagdruck erhöhen, um das flinke Dresdner Angriffsspiel zu unterbinden, zu dem sich ab Satz 2 auch immer stärker der Größenvorteil von Diagonalangreiferin Liz McMahon hinzu gesellte, die insgesamt unglaubliche 31 Punkte machte. Und Stuttgart gelang dies bestens, die Partie war nun völlig ausgeglichen, außer vielleicht im Blockspiel und der Blocksicherung, wo Dresden immer noch leichte Vorteile hatte (ein Umstand, der vor allem am Ende des Matches noch von Bedeutung sein sollte). Nach der zweiten technischen Auszeit wirbelten Amber Rolfzen und McMahon die Stuttgarter Abwehr durcheinander, eine 4-Punkte-Breakserie brachte das zwischenzeitliche 16:18. Schwammen Allianz MTV erneut die Felle davon? Nein, inzwischen hatten die Girls um Michaela Mlejnková immer schnell eine Antwort auf Dresdner Höhenflüge parat, vor allem Mittelblockerin Micheli Pissinato setzte sich mit ihren Kurzangriffen immer wieder bestens in Szene. Mit vier Rebreaks und kurz darauf einem Weltklasse-Lob von Nia Grant direkt auf die Dresdner Seitenauslinie war Stuttgart auf 23:20 enteilt – und ein wütend diskutierender DSC-Trainer Alexander Waibl fing sich eine gelbe Karte (mit starker Tendenz zu rot) ein. Ob er durch dieses Verhalten seinem Team immer wieder einen Gefallen tut, sei einmal dahingestellt. Jedenfalls setzte Mlejnková sofort nach Wiederaufnahme des Spiels mit einem brachialen Außenangriff über links und gleich danach mit einem Lob über das ganze Team in die hintere linke Ecke des DSC-Felds dem Treiben auf dem Platz ein jähes Ende, 25:20. In der Crunchtime hatte Stuttgart einfach die besseren Nerven gezeigt.
Zwar bekam Stuttgart die US-Amerikanerin McMahon während der gesamten Partie nie wirklich in den Griff, hatte aber Ende des zweiten Satzes den Schwachpunkt bei Dresden entdeckt: Die höchstens mäßige Annahme von Jocelynn Birks. Es begann ein Dauerbeschuss der US-Amerikanerin – und zugleich wurden auch noch Dresdens Aufschläge schwächer. Die Folge war klar: Das Spiel nach vorne wurde beim DSC immer ungenauer, Stuttgart bekam die Partie (und seinen Block) in den Griff und gewann immer mehr an Selbstvertrauen. Für Waibl ein Problem, denn Birks hatte durchaus passable Angriffswerte. Sollte er sie vom Feld nehmen? Noch nicht … und schon war Stuttgart mit zwei Vier-Breakserien, trotz „Punktehagels“ von McMahon, auf 20:14 davongezogen und konnte den Abstand auch halten. Die Halle tobte. Mit einem kurzen Stop-Ball direkt überm Netz, den die eingewechselte Mittelblockerin Jennifer Pettke krachend versenkte, und einem Angriff über rechts durch Aiyana Whitney nach zuvor glänzender Rettung durch Libera Wanna Buakaew war der dritte und oftmals entscheidende Satz dann auch schon zu Ende. 25:20 für Stuttgart, die Vorzeichen in der Partie hatten sich total gedreht.
Waibl musste nun reagieren – und versuchte es nochmals mit Katharina Schwabe, die allerdings zuvor schon nicht so recht zu überzeugen wusste. Auch Jennifer Cross durfte nun blocken. Das machte Dresden zwar etwas stabiler – aber Stuttgart war inzwischen im „Flow“, der nur schwer zu unterbrechen ist. Jedes Team der Liga kennt dieses „Problem“. Mit einer 5er-Aufschlagserie von Val Nichol war Stuttgart schon wieder auf 10:6 enteilt. Also Außenangreiferin Dominika Strumilo rein, dachte sich Waibl. Und danach mal Lucie Smutná im Zuspiel für Mareen Apitz ausprobieren. Die junge Belgierin Strumilo hinterließ zwar auch keine Bestwerte auf dem Feld, aber irgendetwas veränderte sich. Ganz langsam nur, aber es veränderte sich. Stuttgarts Vorsprung bröckelte, man hatte dabei aber stets den Eindruck, dass es nicht an Dresden lag, sondern eher an Unkonzentriertheiten auf Stuttgarter Seite. Irgendwann war Dresden mit 20:20 wieder dran – McMahon „lobartig“ über rechts, wer sonst? Ausgerechnet ein Block der zierlichen Jenny Pettke gegen die erneut heranstürmende, zwölf Zentimeter größere McMahon brachte Stuttgart dann doch das 24:22 und somit zwei Matchbälle. Subjektiv konnte dieser Satz einfach nicht verloren gehen, nach all den Eindrücken der letzten 30 Minuten und der dauerhaften Führung. Doch ein Aufschlagfehler und ein glücklicher Ball von Strumilo durch den Allianz-MTV-Block brachten den Ausgleich. Danach wehrte Stuttgart noch zwei Satzbälle ab, ehe Michaela Mlejnkovas Außenangriff über links vom Dresdner Doppelblock direkt auf die Linie geblockt wurde – 27:29, ein absolut sinnlos verlorener Satz für Stuttgart!
Das Momentum auf seiner Seite zog Dresden im Tiebreak sofort auf 3:7 davon. Ausgerechnet jetzt hatte Mlejnková ihre Krise, mag sich so mancher Stuttgarter Supporter gedacht haben. Ausgerechnet jetzt dreht McMahon völlig auf, freuten sich die Dresdner Anhänger (McMahon machte ein Drittel aller Dresdner Punkte im Tiebreak). Und trotzdem blieb es eine Berg- und Talfahrt. Den sicheren Sieg vor Augen glich die Feldabwehr bei Dresden plötzlich einem Hühnerhaufen, was Micheli Pissinato immer wieder mit Kurzangriffen nutzen konnte (Pissinato machte ein Drittel aller Stuttgarter Punkte im Tiebreak). Plötzlich war Stuttgart mit 11:10 vorn. Doch das sollte dann schon der letzte Punkt gewesen sein, den die Fans in blau in der Halle bejubeln durften! Dresden hatte Lunte gerochen, Pissinatos nächster „Kurzer“ wurde geblockt, ebenso wie danach Debbie van Daelens Diagonalangriff durch den Doppelblock Barbora Purchartová und Kadie Rolfzen. Am Ende und unterm Strich war es also die im zweiten Satz angesprochene Blockpunkte-Hoheit (vor allem in Satz 4 und 5), die Dresden den Sieg brachte. Mit einem cleveren Lob über den Allianz-Block beendete Liz McMahon unter dem Jubel ihrer Mitspielerinnen die Partie mit 11:15.
Stuttgart muss nun am kommenden Samstag in Dresden gewinnen, um ein Entscheidungsspiel in der SCHARRena am Ostersamstag zu erzwingen. „Das ist natürlich schwierig“, ist sich Trainer Guillermo Hernández im Klaren, „aber eben auch nicht unmöglich. Im DVV Pokal ist uns dies ja schon gelungen. Ärgerlich ist aber heute, dass wir hier so viele Chancen ungenutzt haben liegen lassen!“
Die Misstöne, die die Dresdner Fans bei der feierlichen Verabschiedung von Kim Renkema als aktiver Sportlerin (und zugleich Begrüßung als Sportdirektorin von Allianz MTV) waren schnell vergessen. Die freundliche, spontane und selbstbewusste Holländerin ist absolute Sympathieträgerin in Stuttgart, die Fans (und ehemalige Spielerinnen per Videobotschaft) feierten sie mit stehenden Ovationen und großen Plakaten. Renkema hat im Stuttgarter Volleyball (auf dem Platz) große Spuren hinterlassen, sie wird es in den nächsten Jahren auch im Management tun. Bis dahin sind dann auch die Tränen vor Rührung in den Augen wieder getrocknet!
Die Starting Six des Dresdner SC:
Apitz –Birks – K. Rolfzen – McMahon (MVP) – Purchartova – A. Rolfzen – Libera: Schoot
Die Starting Six von Allianz MTV Stuttgart:
Nichol – Mlejnková – Sándor – Whitney – Grant – Pissinato (MVP) – Libera: Buakaew
Allianz MTV Stuttgart – wir sind Volleyball!