Manchmal ist es schon kurios, wie sich ein roter Faden durch ein Volleyballspiel ziehen kann. Besonders in Partien der Marke „Spitzenspiel“, wo es in der Regel ziemlich knapp zugeht, werden gerne „Helden“ geboren, die ihr Team unbeugsam und mit einer starken Leistung zum Sieg führen – und danach von den Fans stundenlang gefeiert werden.
Das zurückhaltende, bescheidene „Nordlicht“ Jana-Franziska Poll von Allianz MTV Stuttgart hat eigentlich nur wenig von einer solchen „Heldin“ an sich. Auch hat die Außenangreiferin sicherlich schon besser gespielt als am gestrigen Abend in der Top-Partie der Volleyball Bundesliga gegen den Dresdner SC in der Stuttgarter SCHARRena. Und doch war „JFP“ am Ende der umjubelte Star, umringt von zahlreichen Fans mit Autogrammwünschen. Dass es genau so kommen könnte, hatte man während des ganzen Matchs fast schon erahnen können … Was war passiert?
Nach dem Anpfiff durch Schiedsrichter Joachim Mattner führte Stuttgart, das mit Marie Hänle und Iane Henke zwei Spielerinnen aus dem Bundesstützpunkt im Kader mit dabei hatte, schnell mit 4:0. Eine kleine Aufschlagserie von Jana-Franziska Poll hatte die Dresdner Abwehr durcheinandergewirbelt. Diesen kleinen Vorsprung konnte Allianz MTV bis zum 12:8 halten, beide Teams glänzten durch eine gute Feldabwehr, brachten ihre Angriffe entsprechend nur schwer auf den Boden. Mit zwei weiteren Punkten bei eigenem Aufschlag, davon ein Ass, brachte JFP die Schwäbinnen noch etwas weiter in Front, eine kleine Vorentscheidung. Dresden hatte sich beim Aufschlag auf Sarah Wilhite „eingeschossen“, die dem Bombardement aber mit passablen Annahmen noch einigermaßen widerstehen konnte. In Richtung Crunchtime begann der Stuttgarter Vorsprung dann doch zu bröckeln, ein Direct Winner durch Sasa Planinsec nach zu langer Annahme zum 21:21 (der vierte Dresdner Punkt hintereinander) sorgte dafür, dass man in der SCHARRena eine Stecknadel hätte fallen hören. Doch als ob sie sich für den Dresdner Dauerdruck auf ihre Unterarme „rächen“ wollte, war es dann ausgerechnet Sarah Wilhite, die die über rechts heranfliegende Spanierin Maria Segura „wegblockte“ und gleich darauf am Ende eines langen Ballwechsels den Satzball zum 25:21 durch Anschlagen des Dresdner Blocks verwandelte.
Nur wenige Minuten später war dann Schluss für Wilhite. Lena Stigrot & Co. setzten die 23-jährige US-Amerikanerin weiterhin mit harten Aufschlägen unter Druck, die Fehlerquote stieg jetzt doch rapide an. Giannis Athanasopoulos musste reagieren, brachte Julia Schaefer aufs Feld, da Renata Sandor aufgrund einer Schnittwunde an der Hand nicht spielen konnte. Allianz MTV rannte in der Folge fast den ganzen Satz einem mehr oder weniger deutlichen Rückstand hinterher, erst eine 4-Punkte-Aufschlagserie brachte Stuttgart wieder auf 14:14 heran. Den Ball ins Spiel brachte auch zu diesem Zeitpunkt wieder eine zierliche Außenangreiferin aus dem niedersächsischen Meppen. Wer sonst? Bis zur Crunchtime „neutralisierten“ sich die beiden Mannschaften dann quasi auf hohem Niveau, weiterhin vor allem in der Defensive. Und dann war Poll beim Stande von 22:21 wieder mit dem Aufschlag dran – und Dresden machte keinen einzigen Punkt mehr! Der Satz ging mit 25:21 an Stuttgart – und DSC-Trainer Alexander Waibl rieb sich die Augen, wie sein Team ausgerechnet zu den beiden Satzenden derart böse ausgebremst werden konnte.
Und aus dem Augenreiben kam Waibl gar nicht mehr heraus! Denn zum Start des dritten Satzes schnappte sich ausgerechnet wieder Jana-Franziska Poll den Ball zum Aufschlag – und dieses Mal sollte es richtig bitter werden für Dresden: Ganze zehn Punkte am Stück machte Allianz MTV, es wurden schon Wetten angenommen, ob überhaupt nochmal jemand anderes in diesem Match aufschlagen würde dürfen. Poll ist nicht unbedingt bekannt für Aufschlaghärte, vielmehr ist die „Länge“ ihrer Aufschläge für die Annahme stets unangenehm – entweder fallen die Bälle plötzlich „zu kurz“ vorne runter und die annehmende Spielerin muss schnell nach vorne abtauchen, oder sie sind zu „lang“ und ungefähr auf Schulterhöhe - und somit nur schwer kontrolliert zu spielen. Nach einem 10:0 ist es natürlich schwierig, die Konzentration hoch zu halten. Das war dann auch Stuttgart anzumerken, das im Laufe des 3. Satzes definitiv den einen oder anderen Punkt zu viel abgab. Gefährdet war der Vorsprung trotzdem nie, auch nicht nach einer Aufschlagserie von Ivana Mrdak, die Dresden noch einmal auf 16:11 und später sogar auf 23:19 heranbrachte. Doch mit einem Angriff über links, diagonal genau auf die Linie geschlagen, beendet Julia Schaefer unter dem tosenden Jubel der 2.251 Fans in der ausverkauften Scharrena die DSC-Aufholjagd. Wieder stand ein 3:0-Sieg gegen den alten Widersacher aus Sachsen zu Buche.
Mit vorweihnachtlichen Klängen und der Danksagung durch die Vereinsleitung an Fans und Helfer tauchte die SCHARRena schließlich in Dunkelheit und das Allianz-blaue Licht der zuvor verteilten Knickleuchten ein. Es wurde gefeiert und jubiliert, auch wenn am 2. Weihnachtsfeiertag ja noch das zweite Spitzenspiel der Woche in der Palmberg-Arena in Schwerin ansteht. Beste Punktesammlerin des Abends war im Übrigen einmal mehr die tolle Krystal Rivers, die goldene MVP-Medaille des Abends ging aber trotzdem an – wie konnte es anders sein – Jana-Franziska Poll! Die 30-Jährige hatte insgesamt 31 Mal aufgeschlagen, ungefähr dreimal so oft wieder jede andere Spielerin auf dem Platz. Zu Buche standen für sie insgesamt elf Punkte, davon fünf direkt mit dem Aufschlag erzielt – von den anderen Punkten ganz zu schweigen, die den Mitspielerinnen dank ihres Aufschlags ermöglicht wurden … Well done, JFP!
Starting Six Stuttgart:
Kästner – Poll (MVP) – McCage – Tapp – Rivers – Wilhite – Libera: Koskelo
Starting Six Dresden:
von Römer – Stigrot – Mrdak (MVP) – Planinsec – Segura – Radosova – Libera: Benson