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Im Spiel gegen ihre ehemalige Mannschaft verdiente sich Nika Daalderop den MVP-Titel redlich. (Foto: Tom Bloch | www.tombloch.de)

Im Spiel gegen ihre ehemalige Mannschaft verdiente sich Nika Daalderop den MVP-Titel redlich. (Foto: Tom Bloch | www.tombloch.de)

So etwas hat es in der SCHARRena in Stuttgart auch noch nie gegeben: Innerhalb von gerade einmal 111 Minuten schafft es eine 18-jährige holländische Außenangreiferin, sich zum neuen Publikumsliebling der Allianz-MTV-Fans zu spielen – und „rettet“ dem Team dabei auch gleich noch den Sieg beim Volleyball-Bundesliga-Saisonauftakt gegen die Ladies in Black aus Aachen!

Entsprechend freudestrahlend blinzelte die Jungnationalspielerin Nika Daalderop, interessanterweise vor der Saison ausgerechnet aus Aachen geholt, dann nach dem 3:1 auch in die Kameras eines TV-Senders: „Absolut tolle Fans hier in Stuttgart und eine wahnsinnige Atmosphäre! Und dann gleich zum MVP gewählt zu werden, da geht für mich schon ein Traum in Erfüllung! Aber wir haben auch gesehen, dass wir noch viel Arbeit vor uns haben, vor allem in der Feinabstimmung.“ Eine knappe, aber korrekte Spielanalyse. Denn die Stuttgarterinnen hatten auch eine Woche nach dem verlorenen Supercup-Match in Hannover spielerisch noch nicht geglänzt. Nahezu in allen Spielelementen fehlte es noch an einem verbesserten Timing und an Genauigkeit. Aber dies braucht einfach seine Zeit und wird nach und nach mit Integration der EM-Nachzügler kommen.

Nervös agierten die Aachenerinnen im ersten Satz. Zu Saisonbeginn weiß man eben einfach noch nicht so recht, wo man steht. Doch die Flut an Aufschlagfehlern war bei den „Ladies“ sicherlich nicht eingeplant gewesen, auch wenn man vermutlich mit riskanten Aufschlägen Druck auf Stuttgarts Abwehr ausüben wollte. So sorgten sie eher dafür, dass die ebenfalls noch leicht verunsicherten Stuttgarterinnen trotzdem schnell mit 10:5 in Führung gehen konnten. Nika Daalderop glänzte zu diesem Zeitpunkt noch nicht mit vielen eigenen Punkten, dafür aber mit einer Aufschlagserie. Dass das Potenzial der Einzelspielerinnen bei Allianz MTV höher ist als bei den Rheinländerinnen, blitzte zwar immer wieder auf, doch schon bald war für die Fans die immer wiederkehrende „Struktur“ dieses Matches klar zu erkennen: Stuttgart erarbeitete sich einen Vorsprung – und machte ihn durch unnötige Fehler, Unkonzentriertheit oder zumeist Abstimmungsprobleme wieder kaputt. Und die Breakserien gegen sich selbst waren deutlich zu groß, teilweise 5er- und 6er-Serien. Dadurch brachte sich das Team immer wieder ohne Grund in Not – und verlor später ja auch noch einen Satz. Hieran wird Giannis Athanasopoulos sicher noch arbeiten lassen; und er selbst wird künftig sicherlich auch schneller mit einer Auszeit bei der Hand sein, um Verunsicherungen frühzeitig zu unterbinden.

Im ersten Durchgang war Aachen bei 11:11 wieder dran, hier war bei Stuttgart die Blocksicherung nicht zur Stelle, ein Problem, das erst gegen Ende des Matches besser wurde. Mit zwei herrlichen schnellen Longline-Punkten von Kapitänin Debbie van Daelen ging Stuttgart kurze Zeit später mit 16:13 in die technische Auszeit – sechs Minuten danach hieß es schon wieder 17:18 für Aachen nach einem Einzelblock von Tessa Polder gegen Molly McCage. Wieder ein Vorsprung dahin. In der Crunchtime hielt Daalderop Stuttgart dann mit ihren Punkten im Spiel – bis sich Aachen quasi selbst um den Satz brachte mit zwei Angriffen, die an der Netzkante hängen blieben und einem Spike weit hinaus über die Grundlinie. Ein „Danke“-Ball von Debbie van Daelen beendete den Durchgang schließlich für sichtlich erleichterte Stuttgarterinnen, 25:21.

Im zweiten Satz legte Aachen zumindest vorübergehend die Aufschlagschwäche ab und das gefürchtet gute Blockspiel wurde immer offensichtlicher. Für Stuttgart bedeutete das weniger „Geschenke“ – und ständig einem Rückstand hinterher zu laufen. 1:5 nach einem schnellen Angriff von Frauke Neuhaus über rechts (nach vorheriger Rettungstat von Kirsten Knip), später dann 9:12 nach einem Annahme-Missverständnis von Daalderop und Michaela Mlejnková. Letztere hatte, trotz insgesamt 12 Punkten, sicher nicht ihren besten Tag erwischt. Stuttgart bekam nie die Kontrolle über das Spiel, konnte die Schwäche der „Ladies“ viel zu wenig nutzen. Am deutlichsten fehlte die Feinabstimmung noch im Zuspiel, wo die Fans ständig den Eindruck hatten, dass die Bälle von Femke Stoltenborg etwa fünf Zentimeter zu hoch für eine „optimale Verwertung“ gestellt wurden, während die Bälle von Pia Kästner, die zum Satzende hin eingewechselt wurde, wiederum fünf Zentimeter zu tief angeflogen kamen. Trotzdem blieb Stuttgart dran, weil Nika Daalderop allein in diesem Zeitraum sechs Punkte machte. So ging Stuttgart sogar mit 20:19 in Führung, als Daalderops harter, aber eigentlich zu langer Angriffsball von der gegnerischen Abwehr ans Hallendach katapultiert wurde. Doch dann wieder ein Stuttgarter Einbruch, zwar nur kurz, aber in der Crunchtime tödlich: Mit zwei Punkten von McKenzie Adams über links und einem cleveren Lob über den (einmal mehr ungesicherten) Stuttgarter Block sicherte sich Aachen den Satz mit 23:25.

Zunächst wirkte der Start des dritten Satzes mit der jungen Pia Kästner im Zuspiel ruhiger und genauer. Man merkte, dass die Mannschaft mit der gebürtigen Eisenhüttenstädterin eingespielter ist als mit Femke Stoltenborg. Doch kämpferische „Ladies“ mit immer besser werdendem Block machten Stuttgart das Leben schwer. Große, erfahrene Spielerinnen waren schnell wieder gefragt, und Femke Stoltenborg somit wieder auf dem Feld. Sah es nach einem Aufschlagfehler von Mlejnková zum 12:14 tatsächlich so aus, als müsse Stuttgart ernsthaft um den Satz bangen, brachte eine super Defensiv-Rettung von Daalderop mit nachfolgendem Aachen-Angriff Longline ins Aus einen kurzen Aufwacheffekt: Ein Ass von Micheli Pissinato, ein Einzelblock von McCage gegen Jeanine Stoeten und Nika Daalderops unfassbar schnell gespielter Longline-Angriffsball brachten unter dem Jubel der 1.850 Zuschauer eine 16:14-Führung zur technischen Auszeit. Und nachdem McKenzie Adams schließlich an einem Stoltenborg/Pissinato-Block scheiterte, schien mit 22:18 alles für Stuttgart gelaufen. Doch wieder einige Unkonzentriertheiten brachten Aachen noch bis auf 24:23 heran. Natürlich machte Nika Daalderop dann den Sack zu: Zwei Außenangriffe hintereinander konnte die grandiose „Ladies“-Abwehr noch mit Mühe unter Kontrolle bringen – dann schlug der dritte Versuch gnadenlos im Halbfeld ein, 25:23.

Insgesamt hatte Allianz MTV viel zu sehr mit sich selbst und seinem eigenen Spiel zu kämpfen, um klare Verhältnisse zu schaffen, die sicherlich möglich gewesen wären, angesichts der immer wieder auch bei den in schwarz gekleideten Frauen auftretenden heftigen Abstimmungsfehler. Vor allem dank der Punkte von McKenzie Adams und Frauke Neuhaus im vierten Satz mussten Molly McCage & Co. erneut ständig einem Rückstand hinterher rennen. Doch zur Mitte des Satzes kippte das Momentum, mit 13:11 und 18:16 stieg die Hoffnung bei den Stuttgarter Fans auf doch noch drei Punkte aus dem Match für die Tabelle. Doch einmal mehr wurde auch dieser Vorsprung verspielt. Bis zum 22:22 lieferten sich die beiden Teams dann einen regelrechten Schlagabtausch, anschließend übernahm der holländische Youngster die Verantwortung und zog auch die letzten Stuttgarter Fans noch auf seine Seite: Mit einem Schnellangriff über links, gleich danach von Michaela Mleijnková identisch wiederholt, führte Nika Daalderop Allianz MTV Stuttgart zum Matchball, den sie dann auch noch selbst mit einem krachenden Hinterfeldangriff (nach zwei bereits geblockten Stuttgarter „Angriffswellen“) zum 25:22 im Aachener Feld versenkte. Der Rest war ein Jubelknäuel in blauweiß. Mit insgesamt 24 Punkten war Nika Daalderop an diesem Abend mit großem Abstand die beste Angreiferin auf dem Platz. „Zo moet het zijn!“ Oder?